Bisher fehlte eine explizite Rechtsprechung zum Thema Cash Pooling aus kapitalerhaltungsrechtlicher Sicht. In der Entscheidung zu 17 Ob 5/19p beschäftigte sich der OGH mit der Frage der Zulässigkeit von Cash Pooling – konkret von fiktivem Cash Pooling – und äußerte dabei zum Teil wesentliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der konkreten Vertragsgestaltung aus kapitalerhaltungsrechtlicher Sicht.
Cash Pooling zielt darauf ab, das konsolidierte Finanzergebnis der Gruppe zu optimieren bzw die Liquiditätsplanung und –steuerung zu erleichtern. Neben dem effektiven Cash Pooling, bei dem die einzelnen Konten der teilnehmenden Poolgesellschaften über ein zentrales Konto ausgeglichen werden, kommt in der Praxis oftmals das fiktive Cash Pooling zur Anwendung. Beim fiktiven Cash Pooling wird dieser Vorgang von der Bank nur rechnerisch ohne tatsächliche Transferierung des Geldes vorgenommen.
Im vorliegenden Fall ist eine österreichische Kapitalgesellschaft (die „Gesellschaft“) nicht nur einem fiktiven Cash Pool beigetreten, sondern hat durch Verpfändung ihrer gegenwärtigen und künftigen Forderungen auch ein Ausfallsrisiko übernommen. Beklagte war eine niederländische Bank als „Koordinatorin“ und Pfandgläubigerin. Wesentlich im vorliegenden Fall ist, dass die Verpfändung nur ein Guthaben auf dem sog „Teilnehmerkonto“ betraf, und die Gesellschaft aufgrund des Vertrages grds nicht beschränkt gewesen wäre, Guthaben (risikominimierend) auf ein gesondertes Bankkonto umzubuchen.
Nach Ansicht des OGH liegt es nahe, dass die allgemeinen kapitalerhaltungsrechtlichen Grundsätze für konzerninterne Darlehen bzw. Sicherheitenbestellungen auch auf das Cash Pooling zur Anwendung kommen sollen. Ein Fremdvergleich sei – weil derartige Vereinbarungen mit konzernfremden Dritten wohl kaum geschlossen werden – kein geeignetes Zulässigkeitskriterium. Es kommt daher darauf an, ob die Vereinbarung betrieblich gerechtfertigt ist. Im vorliegenden Fall musste sich der beklagten Bank der Verdacht eines Missbrauchs der Kapitalerhaltungsvorschriften nicht in einem solchen Ausmaß aufdrängen, um ihr einen allfälligen Verstoß gegen Kapitalerhaltungsvorschriften entgegenhalten zu können.
Der OGH hat in der angeführten Entscheidung zusammengefasst folgende wesentliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der konkreten Vertragsgestaltung aus kapitalerhaltungsrechtlicher Sicht geäußert: (i) Weisungsgebundenheit der Gesellschaft an Weisungen der Muttergesellschaft, den Liquidationsüberschuss dem Cash Pool zur Verfügung zu stellen, (ii) fehlende Feststellungen über die wirtschaftliche Situation der Muttergesellschaft und der anderen Poolgesellschaften, die beurteilen lassen, ob mit der Haftungsübernahme verbundene Gefahren schon bei Vertragsabschluss von der Gesellschaft als existenzbedrohende Risiken einzuschätzen gewesen wären, (iii) Regelungen allfälliger Einsichts- und Informationsrechte der Gesellschaft sowie Unklarheit darüber, ob der Gesellschaft das ihr eingeräumte Kündigungsrecht aufgrund interner Weisung entzogen wurde und (iv) mangelnde Klarheit darüber, ob die Gesellschaft für die Zurverfügungstellung von Liquidität eine Gegenleistung erhalten hat.
Praxistipp
Auf Basis der nun ergangenen OGH-Entscheidung sollten im Konzern bestehende Cash Pooling Verträge geprüft und - bei Bedarf - entsprechend angepasst bzw ergänzt werden. In der Praxis ist die Geschäftsführung einer am Cash Pool teilnehmen Kapitalgesellschaft bei Ausfällen bzw. Insolvenzen regelmäßig mit erheblichen Haftungsansprüchen wegen behaupteter Pflichtverletzungen konfrontiert.